Strompreise: Liberalisierungs-Vorteile kassierte der Staat
Verfasst am 23.05.2011
Die Verbilligungen bei Strom durch die Öffnung des Marktes für alle Kunden in Österreich vor einem Jahrzehnt hat zu einem Teil der Staat wieder abgeschöpft. Für Haushalte habe sich die Belastung durch Steuern verdoppelt, sagte Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber vor Journalisten.Die nächsten Strompreiserhöhungen erwartet Anzengruber erst für 2012.
Nächste Strompreiserhöhungen erst 2012
Dennoch habe sich Strom für Haushaltskunden inklusive Netztarif und Steuern nicht stärker verteuert als der allgemeine Preisindex. Die nächsten Strompreiserhöhungen erwartet Anzengruber erst für 2012, nachdem im Gefolge der Ölverteuerung heuer vor allem Gaspreise angehoben werden. Als Zeichen von zu wenig Wettbewerb am Strommarkt wollen Anzengruber und die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt, die niedrige Lieferanten-Wechselrate und das in Österreich geringe Einsparpotenzial durch einen Anbieterwechsel nicht werten. Die Margen seien hierzulande recht gering, deshalb gebe es auch kaum alternative Anbieter, so Anzengruber am Donnerstagabend.Laut einer neuen Studie von booz&co zum ersten Jahrzehnt der Marktöffnung bringt ein Lieferantenwechsel in Österreich im Schnitt nur 9 Prozent Ersparnis, in Deutschland und UK dagegen 30 Prozent. Der monetäre Anreiz, den Stromanbieter zu wechseln, sei in Österreich im EU-Vergleich sehr gering, so die Studie: Die Markttransparenz sei aber nicht schuld daran, denn da liege Österreich im Spitzenfeld.
Von den heimischen Haushaltskunden hat bis 2010 erst jeder Zehnte den Anbieter gewechselt. Bei den Industriekunden sind es über 70 Prozent - und samt jenen Betrieben, die ihren Liefervertrag mit dem bisherigen EVU neu verhandelt haben, 100 Prozent. Durch die früh etablierte Netzregulierung hätten Endkunden in Österreich früher als in anderen Ländern profitiert. Bisher seien für Haushaltskunden die Netzentgelte um 26 Prozent gesunken, in Deutschland nur um 20 Prozent, in UK um 13 Prozent, so die Studie. In Schweden stiegen sie sogar um 30 Prozent, hier soll eine ex-ante-Anreizregulierung kommen.
Jetzt steht die E-Wirtschaft "vor einer deutlichen Investitions-Konjunktur", bis 2020 wolle die Branche insgesamt 15 Mrd. Euro investieren, "wenn man uns lässt", sagte Anzengruber. Mehr als 8 Mrd. Euro davon sollen in Erzeugungsanlagen gesteckt werden - in neue und auch in die Modernisierung bestehender Kraftwerke -, mehr als 7 Mrd. Euro in die Instandhaltung und den Ausbau der Netze. Für die künftigen Aufgaben, insbesondere den Ausbau der Netze, seien aber auch moderate Netztariferhöhungen nötig, deponierte Schmidt.
Investitionen ziehen nach Flaute wieder an
Seit Liberalisierungs-Beginn (1998) hat die heimische E-Wirtschaft kumuliert rund 4 Mrd. Euro in die Stromerzeugung gesteckt. In den folgenden sieben Jahre sackten die Investitionen in den Kraftwerkspark auf jährlich 208 Mio. Euro ab, die Hälfte wie vor dem Start der Marktöffnung, als zunächst Großkunden ihren Lieferanten frei wählen konnten. Von 2006 bis 2009 hat die Branche ihre Investments in kalorische und Wasserkraftanlagen sowie Erneuerbare sukzessive wieder gesteigert - auf durchschnittlich 591 Mio. Euro pro Jahr, deutlich mehr als in den früheren Monopol-Zeiten. In die Netzinfrastruktur flossen 1998 bis 2009 weitere 5 Mrd. Euro. Auch dadurch sanken seit 1998 die Netzverluste 2 Prozent im Jahr, was wiederum rund 1 Mio. t CO2-Emissionen und etwa 1 Mrd. Euro ersparte. Heute liegen die Investitionen der E-Wirtschaft mit jährlich über 1,5 Mrd. Euro deutlich über dem Niveau von vor der Liberalisierung.Für die E-Wirtschaft selbst war die Marktöffnung eine große Herausforderung, räumt Anzengruber rückblickend ein: "Der Personalabbau war durchaus massiv, die Produktivität musste stark gesteigert werden." Speziell die ersten sechs Jahre der Liberalisierung seien "durchaus schmerzhaft" gewesen, erinnert sich der heutige Verbund-Generaldirektor. Nur der Telekom-Sektor habe die Arbeitsproduktivität ähnlich stark gesteigert wie die Strom-Branche.
Zum ersten Jahrzehnt der Strommarkt-Liberalisierung hat Oesterreichs Energie ein 290-seitiges Fachbuch herausgebracht mit Beiträgen von 40 Autoren und Autorinnen. E-Control-Chef Walter Boltz resümiert darin, die Marktöffnung habe es "geschafft, Wettbewerb zu etablieren. Dieser war zu Beginn der Liberalisierung zwar etwas lebhafter und ist in den letzten Jahren wieder zurückgegangen. Insgesamt aber gab es deutliche Verbesserungen für die Konsumenten, auch in Bezug auf den Servicegedanken der Energiewirtschaft."
Quelle: APA